/ Farbwelten

Mit Tusche fordere ich den Zufall heraus. Ich mag die klaren und sehr präsenten Farben. Auch verdünnt mit Wasser bleibt ihre Strahlkraft erhalten. Das arbeiten mit der Tusche ist sehr direkt.

Es braucht ein schönes Aquarellpapier, Tusche, Pinsel und Wasser. Ich liebe das Spielen mit den Farben und dem Zufall. Stunden lang schaue ich den Farben beim fließen zu.

Wie meine Oma, die den ganzen Tag an der Fensterbank hockt und die Bewegung in ihrer Strasse beobachtet. Am Morgen erschnuppert sie den langsam erwachenden Frühling und lauscht den Vögeln. Dann kommt die laute, stinkende Müllabfuhr und sie wirft den Männern ein fröhliches Guten Morgen entgegen. Am Vormittag kommt der Nachbar vom Einkauf, gibt ihr die bestellten Brötchen und sie lästern über den anderen Nachbarn, der sein Auto nicht vor seiner eigenen Haustür parkt. Dann kommen die Schulkinder und sie wundert sich über die schrillen Farben ihrer Kleidung.

Am Nachmittag reckt sie ihre Nase noch weiter aus dem Fenster um den frischen Waffelduft einzusaugen, der aus dem Küchenfenster der Nachbarin strömt. Jeden Tag das Gleiche und doch nimmt sie jeden Tag anders wahr.

Genauso so ergeht es mir mit den Farben. Ich kenne sie alle. Ich kenne den Prozess und doch ist es immer wieder eine Überraschung und eine neue Erfahrung.

Ich beobachte, wie sie sich auf dem Papier ihren eigenen Weg suchen, wie sie sich langsam und zart aneinander schmiegen, wie sie schnell und energisch in einander strömen. So viele Wege, so viele Möglichkeiten, so viele Welten die entstehen.